Interview mit Beat Kleeb – Wie es zu den heutigen Dolmetschdiensten kam
Rückblick:
PROCOM: Wie kam es zur ersten Dolmetschausbildung?
Beat Kleeb: Vor 40 Jahren, im Jahr 1984, stellte der Gehörlosenrat einen Antrag an den Schweizerischen Verband für das Gehörlosenwesen (SVG, heute Sonos). Darin forderte der Rat, eine Dolmetscherausbildung und -vermittlung aufzubauen.
PROCOM: Wie sahen die Organisationen für gehörlose Menschen aus?
Beat Kleeb: Neben der Selbsthilfeorganisation Gehörlosenbund (SGB) gab es seit 1945 auch den «Gehörlosenrat» vom damaligen Schweizerischen Verband für das Gehörlosenwesen (SVG). Dort konnten jedes Jahr einmal Probleme der Gehörlosen diskutiert werden. Jeder Verein der Gehörlosen konnte 2 Vertreter an die Tagung schicken.
Ein gemischter Ausschuss mit Gehörlosen und Fachleuten hat die Tagung vorbereitet und die Themen ausgewählt.
Überwindung von Vorurteilen:
Welche Herausforderungen mussten damals überwunden werden, um die ersten Gebärdensprachdolmetscherinnen einzuführen?
Die Vertreter der Gehörlosen wollten schon seit einiger Zeit das Thema «Dolmetschen» diskutieren. Aber viele Fachleute waren dagegen und es gab noch offene Sprüche wie «Gebärdensprache ist eine Affensprache» und «Wenn Gehörlose Dolmetscher verlangen, dann sind sie nur zu faul zum Ablesen». Gegen diesen Widerstand konnten sich die Vertreter der Gehörlosen-Selbsthilfe durchsetzen. So war das Thema im Februar 1984 mit 59 Teilnehmern: «Dolmetscher: Brauchen wir sie?». Es gab drei Vorträge von Gehörlosen und hörenden Fachleuten, die alle gezeigt haben, welche wichtige Hilfe Gebärdensprachdolmetscher für Gehörlose sind.
Rolle der Pioniere:
Wer waren die wichtigsten Personen oder Gruppen, die sich in den letzten 40 Jahren für die Etablierung von Gebärdensprachdolmetschern eingesetzt haben?
Hanspeter Keller war damals Präsident des SVG und als Vater eines Gehörlosen erlebte er die Kommunikationsprobleme in der eigenen Familie. Er setzte sich mit viel Kraft dafür ein und schon ab dem 1. Mai 1985 konnten die ersten GebärdensprachdolmetscherInnen eingesetzt werden.
Dazu wurde auch eine erste Ausbildung aufgebaut, die bis zum heutigen Bachelor in Gebärdensprache geführt hat.
Entwicklung der Ausbildung:
Wie haben sich die Dolmetschvermittlung und -einsätze Ihrer Meinung nach entwickelt?
Die Dolmetschervermittlung ist schrittweise gewachsen. Sie wurde von den Verbänden SGB-FSS und Sonos 2002 an die Stiftung PROCOM übergeben. PROCOM hatte damals bereits die Telefonvermittlung in allen Landessprachen aufgebaut. Die PROCOM hat seither die Dolmetschervermittlung weiter aufgebaut und die Finanzierung sichergestellt. So gibt es heute fast 120 ausgebildete GebärdensprachdolmetscherInnen, welche heute pro Jahr weit über 20’000 Dolmetscheinsätze vor Ort, im Fernsehen oder über Videokonferenz absolvieren.
Ausblick und Dankbarkeit:
Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 40 Jahren am stärksten verändert, und was möchte die Stiftung PROCOM den Pionieren und Unterstützern heute mit auf den Weg geben?
Vor 40 Jahren hätte sich das noch niemand vorstellen können, was wir heute haben.
Aber in diesen 40 Jahren hat es auch viele Pioniere gegeben, die verstanden haben, wie wichtig Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher sind im Alltag von vielen Gehörlosen. Sie haben sich dafür mit viel Kraft und Zeitopfern eingesetzt.
Allen diesen vielen Pionieren ist die Stiftung PROCOM heute zu grossem Dank verpflichtet.
Ein besonderes Kompliment möchte ich der aktuellen Geschäftsleitung aussprechen. Sie macht ausgezeichnete Arbeit und hat in den letzten bald zwei Jahren schon unheimlich viel bewegt. Ich bin dankbar und freue mich auf die Zukunft.
Vielen Dank für das Interview Beat Kleeb.
Kommentar von Roman Probst, der das Interview führte: Danke für das Kompliment, Beat. Die Erfolge verdanken wir tollem Teamwork.